Alexander Bouvier ist Mitglied des Vorstandes der Treibacher Industrie AG. Er glaubt daran, dass der Urvater des Unternehmens, Auer von Welsbach, noch heute stolz darauf wäre, und plädiert für ein neues Miteinander im Land.
Als studierter Chemiker weiß Alexander Bouvier um die Zusammenhänge, Funktionen und Strukturen die unser Leben und Wirken ausmachen. Rein optisch entspricht er nicht der klassischen Vorstellung eines Macher-Typs Marke Vorstand. Eher wirkt er feinsinnig, philosophisch, nachdenklich. Er ist geprägt von klassischen Führungswerten, wie Anstand und Vorbildwirkung, und verlangt von seinen 800 Mitarbeitern nicht mehr als von sich selbst. Aber das ist eine andere Geschichte.
IMSÜDEN.AT: Was versteht der Chemiker Alexander Bouvier unter Chemie.
Alexander Bouvier: Chemie hat in der Anwendung die Aufgabe, unser Leben komfortabler und gesünder zu machen. Sie soll den Menschen ein Mehr an Lebensqualität bieten. Wir erreichen das durch Forschung und Entwicklung sowohl im Wissenschaftlichen als auch im Praktischen.
IMSÜDEN.AT: In welchen Produkten des täglichen Lebens erleichtern uns die Entwicklungen aus Treibach das Leben, oder machen es komfortabler.
Alexander Bouvier: Die Palette ist sehr vielfältig und man kommt täglich mit Dingen in Kontakt, die Produkte aus Treibach enthalten – aber bis auf den guten alten Zündstein für Feuerzeuge, kann man sie nicht im Geschäft kaufen. Wir liefern keramische Pulver für die Herstellung künstlicher Gelenke, Beschichtungswerkstoffe für Flugzeugturbinen, Materialien für Umweltkatalysatoren (insbesondere für Autoabgaskatalysatoren), Seltenerdverbindungen für die Herstellung von pharmazeutischen Produkten wie Kontrastmittel zur Computertomographie, aber auch Hartmetallpulver aus denen jede Art und Größe von Bohrern produziert werden. Und unsere Tochterfirma Tribotecc in Arnoldstein ist Marktführer auf dem Gebiet von Zusätzen für Bremsbeläge in der Automobilindustrie.
IMSÜDEN.AT: Mit ihren knapp 800 Mitarbeitern zählt die Treibacher Unternehmensgruppe zu den Top 5 Industrieunternehmen in Kärnten. Andererseits beschäftigen insgesamt kaum 150 Unternehmen mehr als 100 Mitarbeiter. Hat Kärnten zu wenig Potential?
Alexander Bouvier: Ja, wir sind einer der Leitbetriebe in Kärnten. Aktuell beschäftigen wir 783 Mitarbeiter. Darüber hinaus sichern wir noch etwa doppelt so viele Arbeitsplätze bei unseren Zulieferanten und Partnern in der Kleinindustrie und im Gewerbe. Das gilt auch für die anderen großen Unternehmen in Kärnten. Das wird viel zu oft vergessen. In Summe erwirtschaften alle Industriebetriebe zusammen mehr als 33 %, also ein gutes Drittel der Bruttowertschöpfung in Kärnten. Das ist mehr als jede andere Sparte. Es kommt also nicht so sehr auf die Anzahl der Betriebe als auf ihre Wirtschaftskraft an. Die müssen wir sicherstellen.
IMSÜDEN.AT: In der Öffentlichkeit werden die Leistungen der Industrie nicht so recht wahrgenommen. Oder verstanden? Außer im negativen Sinne wie z. B. durch den HCB – Skandal im Görtschitztal.
Alexander Bouvier: Das ist leider tragisch, aber nicht die Regel, sondern eine absolute Ausnahme. Das muss auch dringend saniert werden. Und es schadet unserem Image. Möglicherweise kommunizieren wir unsere Leistungen zu wenig, oder auch nicht verständlich genug. Anstatt mit Zahlen zu argumentieren, sollten wir Emotionen vermitteln. Wie wir von Heinz von Foerster, dem berühmten Kybernetiker mit österreichischen Wurzeln, wissen, bestimmt ja nicht der Sprecher die Bedeutung einer Botschaft, sondern der Zuhörer.
IMSÜDEN.AT: Kärnten wird oft als das Land der verlängerten Werkbänke bezeichnet, weil sich die Firmensitze großer Unternehmen im Ausland befinden. Da ist beim Management kaum emotionale Bindung zur Region vorhanden und wenn das Fördervolumen ausgeschöpft ist, wird die Produktion mit dem Hinweis auf die zu hohen Lohnkosten, in andere Länder verlagert.
Alexander Bouvier: Das war einmal und ist leider noch zu oft in den Köpfen verankert. Natürlich ist bei vergleichbaren Massenprodukten der Preisdruck entsprechend hoch und es kann auf Sein oder Nichtsein ankommen. Aber auch am Massensektor ist ein Umkehrtrend bemerkbar. Sicheres Umfeld, hohe Lebensqualität, motivierte Mitarbeiter, geringe soziale Spannungen sind wichtige Faktoren, die für uns sprechen. Unser Headquarter ist seit 110 Jahren in Treibach/Althofen und es wird auch dort bleiben. Auch unsere Eigentümer sind nicht anonyme Investoren oder Fonds, sondern zwei österreichische Familien. Die tragen auch das volle Risiko. Das kann man gar nicht genug honorieren. Darüber hinaus finden sich in Kärnten noch einige andere Familienbetriebe, die wie wir am lokalen Firmensitz festhalten. Aber auch dort, wo die Firmenzentralen nicht in Kärnten sitzen, punkten wir mit speziellem Know How und daher finden Innovationen und Neuentwicklungen in unserem Bundesland statt. Infineon, Flex oder Mahle sind gute Beispiele. Auch bei denen brauchen wir uns wohl nicht davor fürchten, dass sie abwandern.
IMSÜDEN.AT: Trotzdem herrscht eine negative Stimmung und Unzufriedenheit mit den Rahmenbedingungen wie z. B. den hohen Arbeitskosten.
Alexander Bouvier: Natürlich sind die Arbeitskosten, vor allem die Nebenkosten, extrem hoch. Die laufend steigenden Kosten für die nicht-produktiven Arbeitsplätze in der öffentlichen Verwaltung belasten unsere Budgets und verringern die Bereitschaft zu neuen Investitionen. Die hohe Steuerbelastung nimmt vielen Unternehmen die Luft zum Atmen. Keine Investition, keine neuen Arbeitsplätze.
IMSÜDEN.AT: Auch Beamte können sehr produktiv sein.
Alexander Bouvier: Das stimmt, nur eben leider oft in der verkehrten Richtung. Ein mehr an Bürokratie, sowie neuen Gesetzen und Verordnungen, schafft aber nur Unsicherheit und nicht mehr Arbeitsplätze. Genehmigungen dauern oft viel zu lange, wobei der Ausgang meist ungewiss ist. Wer fünf Jahre, oder mehr, auf das Ergebnis einer Umweltverträglichkeitsprüfung wartet, braucht erst gar nicht mehr mit dem Aufbau einer Produktion beginnen, weil das Produkt anderswo schon seit Jahren am Markt ist. Da braucht man sich über die Verlagerung von Produktionen in Länder wie Amerika oder nach Fernost nicht wundern.
IMSÜDEN.AT: Einerseits sucht die Industrie dringend gut ausgebildete Mitarbeiter, andererseits haben viele Beamte eine gute Basisausbildung, ziehen aber „sichere“ Arbeitsplätze in der öffentlichen Verwaltung vor. Die Industrie sollte vielleicht mehr um sie werben.
Alexander Bouvier: Wenn jeder Mitarbeiter, bevor er in einer öffentlichen Funktion tätig sein darf, zuerst ein paar Jahre Berufserfahrung in einem Unternehmen sammeln müsste, dann wäre die Situation wohl eine andere. Aber solange noch immer viele Eltern darauf schauen ihrem Kind einen vermeintlich krisensicheren Job in einem Amt zu verschaffen, kommen wir nicht weiter. Dazu kommen noch viele zusätzliche Benefits im öffentlichen Dienst, die sich die Privatwirtschaft noch nie leisten konnte und die sich auch der Staat schon längst nicht mehr leisten kann. Niemand versteht mehr mit welchem Recht heute noch so einseitige Privilegien existieren, anstatt längst gleiches Recht für alle gilt. Das macht es auch so schwer junge Leute, insbesondere auch Mädchen, davon zu überzeugen, wie spannend ein Job in der Industrie sein kann.
IMSÜDEN.AT: Dazu kommt der sogenannte Brain Drain – die Abwanderung von jungen, gut ausgebildeten Menschen.
Alexander Bouvier: Das ist nicht wirklich ein Problem. Junge Menschen müssen ihre Erfahrungen sammeln. Viele kommen schon wieder zurück, halt in anderen Positionen. Wichtig ist nur, dass wir ihnen auch in ausreichendem Maße interessante Arbeitsplätze anbieten können. Die Lebens – und Arbeitsbedingungen müssen stimmen. Und die Einstellung der jungen Leute. So lange das Streben nach der „Work-Life-Balance“ nicht größer ist, als der Hunger nach beruflicher Erfüllung, mache ich mir keine großen Sorgen. Klar ist: Die wirklich Guten suchen die Herausforderung dort, wo die sprichwörtliche Post abgeht. Wenn nicht bei uns, dann leider woanders.
IMSÜDEN.AT: Treibacher investiert noch immer viel in soziale Standards. Würde der Gründervater Auer von Welsbach, der ja bekanntlich ein sehr sozialer Mensch war, heute noch zufrieden sein?
Alexander Bouvier: Ich glaube schon. Natürlich hat sich das Umfeld etwas geändert. So interessierten sich heute nur mehr wenige für eine Betriebswohnung. Die Leute bauen sich lieber ein Haus. Wir konzentrieren unsere Aktivitäten auf die Region und hier auf die Kunst, den Sport und die Unterstützung von Menschen mit Behinderung. Beim Sport fokussieren wir besonders auf den Nachwuchs weil jede sinnvolle Beschäftigung die Jugend von „Dummheiten“ abhält. Hier sind wir sehr erfolgreich. Kunstinteressierten bieten wir jährliche Vernissagen und unterstützen junge Künstler, indem wir ihnen Werke abkaufen. Seit 15 Jahren bieten wir Ausnahmeinterpreten eine Bühne direkt auf unserem Betriebsgelände. Heuer wird am 4. Juni die französisch-marokkanische Künstlerin Hindi Zahra in der umgebauten Ferrolegierungs Halle, unserer ältesten Produktionshalle, ein sicher hinreißendes Konzert aufführen.
IMSÜDEN.AT: Wie sollen wir uns in Kärnten auf die Zukunft vorbereiten. Wie können Gräben überwunden und neue Allianzen des Erfolges geschmiedet werden.
Alexander Bouvier: Wir müssen einige grundsätzliche Dinge akzeptieren und annehmen, dann stimmt auch die Chemie untereinander wieder. Zuerst einmal müssen wir alte, eingefahrene Denkmuster über Bord werfen. Wir brauchen einen neuen, engen Schulterschluss zwischen Mitarbeitern und Unternehmern. Wir sind keine Gegner, sondern untrennbar miteinander verbunden. Keiner kann ohne den anderen existieren. Gemeinsam schaffen wir auch ein neues Verhältnis zu Politik und Beamtenschaft mit dem Ziel der Vereinfachung von Behördenauflagen und dem Abbau von unsinnigen bürokratischen Hindernissen. Uns allen muss bewusst sein, dass das Match nicht Kärnten gegen Steiermark oder Wirtschaft gegen Gewerkschaft heißt, sondern Firma X in Klagenfurt gegen Fa. Y in Shanghai oder sonst wo in China. Die Globalisierung zwingt uns dazu. Ich selbst sehe die Zukunft positiv weil mir scheint, dass die Zeit reif für ein neues Miteinander ist. Der Mensch unterscheidet sich, frei nach Sir Karl Popper, von der Amöbe schließlich dadurch, dass er fähig ist aus Fehlern zu lernen.
(PIX: Titelfoto: © TIAG/Marcel Ambrusch, Rest: Gerhard Smuck)
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