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„Als Arzt ist man ja fortbildungswütig“

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Thomas Kau ist der jüngste Primarius Österreichs, leitet die Radiologie am LKH in Villach mit 65 Mitarbeitern und ist täglich für 250 Patienten verantwortlich. Der Mann ist praktisch Heiler, Manager, Techniker, Lehrer, Student und Fundbüro in Personalunion und hat trotzdem noch Zeit für ein Interview IMSÜDEN.AT

Jetzt sind wir dann doch im Krankenhaus gelandet. War ja nur eine Frage der Zeit. Zum Glück ist es halb so schlimm, denn wir brauchen zwar tatsächlich einen Arzt, allerdings nur für ein Interview. Primarius Doktor Thomas Kau ist am LKH nicht schwer zu finden, denn er hat ein richtig fettes Türschild auf „seiner“ Radiologie. Und da steht der „Strahlemann“ (Radiologenhumor) auch schon um uns zu begrüßen. Das Schild selbst ist ihm schon etwas zu groß geraten, „hätte nicht sein müssen, aber die Verwaltung will das so“, sagt er bescheiden und bittet uns herein. Auf dem Weg in sein Büro kommen wir durch einen Vorraum, ganz in Schwarzlicht getaucht. Wieder so ein Radiologengag? „Nein, das wollte meine Vorgängerin so. Keine Ahnung warum, aber zumindest kommt ein bisschen Diskofeeling auf, wenn man ins Büro geht“, lacht der jüngste Primar Österreichs. In seinem Retro-Büro („Modell Beppo Mauhart“) angekommen, fühlen wir uns wie am Set von „Mad Men“. „Das ist auch noch von der Vorgängerin, ich bin noch nicht richtig eingezogen hier. Zuviel zu tun!“

IMSÜDEN.AT: Na dann kommen wir auch gleich zur Sache! Was ist das da für ein Gerät an deiner Manteltasche?
Thomas Kau: Das kleine Ding? Ach, das ist nur ein Dosimeter, also ein Strahlenmessgerät…

IMSÜDEN.AT: Aso… Danke für das Interview! Tschüss, wir müssen weg…
Thomas Kau: (lacht) Keine Sorge, das ist hier bei uns auf der Radiologie ganz normal. Aber wenn es zu piepen beginnt, sollten wir vielleicht eher draußen weiterreden (lacht).

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IMSÜDEN.AT: Sehr witzig, Herr Primarius! Sagt man doch so, oder?
Thomas Kau: Ja, die korrekte Anrede für den ärztlichen Leiter einer Krankenhausabteilung ist Primarius, aber im Team bin ich natürlich der Thomas. Hier am LKH Villach herrscht zum Glück, sicher auch aufgrund der Krankenhausgröße, ein eher amikaler Ton. 

IMSÜDEN.AT: Ja, so läuft’s im Süden, klein aber freundschaftlich! Was ist dein Job als ärztlicher Leiter? Bist du eher McDreamy oder McSexy?
Thomas Kau: Tja, da musst du meine Frau fragen (lacht). Hier im Krankenhaus bin ich eher McManager. Ich leite eine Abteilung mit 60 Mitarbeitern. Ärzte, Radiologietechnologen, Pflegehelfer usw. Da hat man einiges zu tun.

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IMSÜDEN.AT: Was macht die Radiologie konkret?
Thomas Kau: Wir sind sozusagen die Bildgebung für die Diagnostik. Du warst sicher schon mal hier, wenn ein Arzt „in dich rein schau’n“ wollte ohne dich gleich aufzumachen. Aber heute machen wir auch viel Therapie unter Bildkontrolle. Wir navigieren quasi unsere Katheter im live-Bild-Modus durch alle Arterien des Körpers, auch bis zum Gehirn. Das heißt, nicht ganz alle – das Herz gehört den Kardiologen. Erst mal dort angekommen, lässt sich allerhand Nützliches anstellen… lebensbedrohliche Blutungen stillen, Gerinnsel entfernen, Blutgefäße aufdehnen usw. Das ist schon sehr herausfordernd und spannend.

IMSÜDEN.AT: Also seid ihr sowas wie das SKY-Abo der anderen Abteilungen?
Thomas Kau: Wenn du so willst. Aber Radiologen sind keine Passivsportler. Wir greifen auch ein. Zum Beispiel in der Krebsbehandlung. Heutzutage kann man etwa Lebertumore minimal invasiv mit einer Sonde veröden, mit Mikrowellen. Das läuft dann unter live-Bild-Kontrolle am Computertomografen. Das ist sehr knifflig und eine echte Herausforderung, genau wie die Hirnradiologie…

IMSÜDEN.AT: Schlaganfälle und so?
Thomas Kau: Genau! Ich komme ja eigentlich aus dem sogenannten „Interventionellen Bereitschaftsteam“, da wird man bei Schlaganfällen gerufen, wenn man akut eingreifen muss.

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IMSÜDEN.AT: Klingt zach. Wieso willst du so etwas machen? In anderen Hirnen rumstochern? Wie kommt man auf die Idee?
Thomas Kau: Mein Interesse an Medizin war immer klar. Ich komme zwar aus keiner Arztfamilie, eher Mittelschicht, wie man so sagt, aber lustigerweise sind bei uns viele im Sozialbereich gelandet. Mein Zwillingsbruder ist zum Beispiel auch Radiologe, in Graz…

IMSÜDEN.AT: Das ist jetzt ein Scherz, oder? Du hast einen Zwillingsbruder der auch Radiologe ist, in Graz? Habt ihr schon mal getauscht? Habt ihr so die ganzen Doppelschichten als Assistenzärzte überstanden? Das „doppelte Kauchen“ (lacht)?
Thomas Kau: Sehr witzig. Nein, aber gut, dass du das Arbeitspensum ansprichst, denn das ist etwas, das du dir natürlich gar nicht vorstellen kannst, wenn du anfängst Medizin zu studieren. Es dauert dann auch, bis du deinen Teil der Medizin findest. Irgendwann hab ich mal gedacht ich werde Unfallchirurg, dann Sportmediziner. Aber das war mir dann irgendwie alles zu speziell. Da reduziert man sich auf einen relativ mechanischen Teil der Medizin. Mich hat schon immer das fachlich Theoretische angezogen. Vielleicht hatte ich auch immer einen intellektuelleren Zugang zur Medizin, ich weiß es nicht.

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IMSÜDEN.AT: Kein Heilersyndrom?
Thomas Kau: Doch, natürlich. Und was gibt es auch Schöneres als einem Menschen wirklich zu helfen? Da gehst du schon mit einem unglaublich tollen Gefühl nachhause. Helfen zu wollen ist und bleibt eine Grundvoraussetzung für den Job, aber Mitleid heilt halt nicht. Mitgefühl schafft vertrauen und ist deshalb auch wichtig im Patientenkontakt, aber du musst deinen Job einfach beherrschen und dazu muss dich die Methodik faszinieren. Dann kommst du auf ein Level, auf dem du dem Patienten wirklich helfen kannst.

IMSÜDEN.AT: Also ist das Warum wichtig, aber das Wie muss dir wichtiger sein.
Thomas Kau: Nicht wichtiger, aber es muss dich einfach packen und nicht mehr loslassen, nur dann wirst du ein guter Arzt.

IMSÜDEN.AT: Und wie hat’s dich erwischt?
Thomas Kau: Als ich als Assistenzarzt am Klinikum Klagenfurt in der Radiologie gelandet bin. Die Ausbildung dort war sehr fordernd und da hat mich der Ehrgeiz gepackt. Auch die Technik hat mich fasziniert. So ein MRT ist ja eine Wahnisnnsmaschine (lacht). Ich bin dann ins Ausland, nach Zürich, gegangen um mich zu spezialisieren. Das war auch eine tolle Zeit, ich habe viele Leute kennengelernt und extrem viel gelernt in der Zeit…

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IMSÜDEN.AT: Da bleibt das Privatleben wohl auf der Strecke…
Thomas Kau: Nein, gar nicht. Wenn meine Frau Melanie und ich zurückschau’n, dann war es sogar eine recht schöne Zeit. Natürlich sieht man sich leider seltener, aber man genießt die Zeit zu zweit dafür dann auch viel intensiver. Ich hab damals ja wie ein Student gewohnt, ein Bett, ein Tisch, ein Herd und aus. Und da man in der Schweiz ja recht gut verdient, hatte ich dadurch Ressourcen frei um auch schon mal nach Wien für ein Konzert zu fliegen und mit Melanie einen Kurzurlaub zu machen. Dann ging’s wieder zurück in die Studierstube zum Lernen.

IMSÜDEN.AT: Und wenn man genug Zeit in der Studierstube verbracht hat, wird man Primar? Oder wie läuft das?
Thomas Kau: Ganz so einfach ist es nicht. Um Primarius zu werden muss man sich natürlich auf eine öffentlich ausgeschriebene Stelle hin bewerben. Das Curriculum muss passen, der wissenschaftliche Output, auch die Art, wie man mit Kollegen und Mitarbeitern umgeht. Man schreibt dann ein Konzept, wie man die Abteilung führen würde, wo man die Schwerpunkte setzen will und wo man die Zukunft sieht. Ich hab das damals im Urlaub zu schreiben begonnen, saß mitten in der Nacht im Mobile-Home in Bibione in der Badehose über den Laptop gebeugt, während Frau und Kind geschlafen haben (lacht). Was man so alles tut für die Karriere…

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IMSÜDEN.AT: Na scheinbar hat es sich ja ausgezahlt und das mit dem Urlaub hat sich auch erledigt (lacht)!
Thomas Kau: Ja, super (lacht)! Nein, es ist schon eine sehr große und spannende Herausforderung hier. Man muss sich ja vorstellen durch die Abteilung gehen jeden Tag so um die 250 Patienten, vom einfachen Lungenröntgen bis zur dreistündigen Akutintervention. Und ich bin letztendlich für jeden einzelnen Fall persönlich verantwortlich. Aber ich kann mich zum Glück auf mein Team zu 100% verlassen!

IMSÜDEN.AT: Wie sieht euer Alltag aus? Was treiben Radiologen den ganzen Tag?
Thomas Kau: Besprechungen, Besprechungen, Besprechungen. Der Tag beginnt mit der Übergabebesprechung von der einen Schicht auf die andere. Dann gibt es oft eine interdisziplinäre Besprechung, da die Radiologie ja praktisch eine Art Dienstleister für alle anderen Abteilungen im Krankenhaus ist. Da gehen wir alle Fälle der Woche mit den Kollegen durch, oft auch über Videokonferenz mit der Strahlentherapie und der Onkologie in Klagenfurt.

IMSÜDEN.AT: Das bedeutet, du kommst vor lauter Besprechungen eigentlich gar nicht mehr zum Patienten?
Thomas Kau: So schlimm ist es nicht. Mir ist der Patientenkontakt auch sehr wichtig. Den braucht man als Arzt auch irgendwie. Aber es stimmt schon, in meiner Position ist vieles Management. Die Medizin selbst aber bleibt natürlich der Dreh- und Angelpunkt. Im Moment beschäftige ich mich allerdings viel mit der Technik hinter unserem Beruf. Für die Anschaffung von Großgeräten wie Angiographie, CT, MRT, wie wir sie benötigen, muss man sich medizinisch, wirtschaftlich und eben auch technisch mit den Dingern auskennen. Kosten ja schließlich auch über eine Million Euro. Ein unglaublich spannendes Gebiet!

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IMSÜDEN.AT: Klingt als würdest du schon wieder in der Studierstube sitzen…
Thomas Kau: Ja, so ist es. Aber als Arzt ist man ja fortbildungswütig und will immer noch mehr wissen, sonst kommt man gar nicht so weit. Das ist mir auch ein wichtiges Anliegen in der Abteilung, die Ausbildung der Jungen!

IMSÜDEN.AT: Du meinst die „Ausbeutung“ der Jungen? Wenn man so Arztserien schaut, da haben die Assistenzärzte ja immer den Mörderstress. Fast so wie bei uns in der Redaktion (lacht)!
Thomas Kau: Na, das kann ich mir jetzt zwar nicht vorstellen (lacht), aber was die Serien angeht: in Wirklichkeit ist es sogar noch härter! Götter in Weiß sind wir schon lange nicht mehr. Das hat aber auch sein Gutes, denn dadurch brechen verschorfte Strukturen auf und es herrscht mehr Meinungsfreiheit unter den Kollegen. Früher war das Wort des Vorgesetzten Gesetz. Heute verstehen wir uns mehr als Team und können alle voneinander profitieren. Das halte ich für eine sehr gute Entwicklung!

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IMSÜDEN.AT: Auch die Patienten lassen sich immer weniger sagen, dank Dr. Google, oder?
Thomas Kau: Ja, das stimmt. Die Patienten kommen teilweise schon sehr gut informiert zum Arzt. Gerade chronisch Kranke sind oft besser über ihre Krankheit bzw. den Forschungsstand dazu, oder ihre Medikamentenverträglichkeit informiert als ein Arzt, der sie zum ersten Mal sieht. Das ist auch gut so, kann hilfreich sein. Allerdings ist der Herr Dr. Google natürlich auch sehr unbarmherzig und zählt beim kleinsten Symptom gleich die schlimmsten Krankheiten auf. Das kann auch stark verunsichern. Da ist es oft besser zuerst zum Arzt zu gehen bevor man rumgoogelt.

IMSÜDEN.AT: Apropos rumgoogeln, wir müssen noch eine Abschlussfrage stellen: Ihr seht doch ALLES auf diesen Röntgenbildern – wir meinen – auch alles, was eventuell im Körper, sagen wir mal, „stecken geblieben“ ist…
Thomas Kau: (lacht) Willst du jetzt wissen, wie viele Glühbirnen wir schon aus Körperöffnungen entfernt haben? Das kommt schon vor. Wir sagen oft, wir sind das Fundbüro des Krankenhauses (lacht)… Aber Scherz beiseite: Es ist natürlich auch gut, dass Patienten, denen so etwas wiederfährt, den Weg ins Krankenhaus finden. Einem Arzt darf sowieso nix peinlich sein!

IMSÜDEN.AT: Na dann sagen wir Danke für das Interview und hätten da jetzt noch ein paar privatere Anliegen vorzutragen…

(PIX: Alle von Johannes Wouk, außer das wunderbare Titelbild, das ist aus der Reihe „WORK. WHAT WE DO.“ vom Maestro Arnold Pöschl)

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