Ja, liebe Leute, was soll ich sagen. Ich habe getindert. In Österreich, Slowenien, Deutschland, Italien, Spanien, Kroatien und dank meiner Kusine (ich hoffe, du kannst deine Rechts-Links Schwäche beim nächsten Handy-Klau unterdrücken) auch in Griechenland. Und das alles nur, weil ich ein verdammt neugieriger Mensch bin und testen muss, ob diese Dating-App wirklich so toll ist, wie einige meiner Freunde behaupten. Abgesehen davon, dass Tinder ein sehr beliebtes Thema bei den großen und weniger großen Bloggern ist und ich da natürlich mitmischen muss. Und weil der Chefredakteur gesagt hat, ich muss. Also eigentlich selbstlos.
Dating Apps und Kennenlern-Portale gibt es ja seit Jahren wie Sand am Meer, ohne dass so viel darüber diskutiert wurde. Keine Ahnung wieso, aber Tinder lässt kaum jemanden kalt. Sogar Nicht-Singles interessieren sich für die Dating App und bekommen ganz leuchtende Augen, während sie aktive Tinderanten nach ihren Erlebnissen ausfragen. Als wäre das was Neues, Aufregendes. Vielleicht glauben auch manche, man trifft sich zu geheimen Tinderanten-Sex-Orgien an unbekannten Orten frei nach eyes wide shut. Whatever, die gibt es wahrscheinlich. Aber nachdem ich ja einen Singleblog und keinen Sexblog schreibe, ist das eine andere Geschichte.
Das Prinzip von Tinder ist einfach: man bekommt ein Foto vom potenziellen Chat-Partner vorgestellt und kann durch Wischen nach rechts oder links entscheiden, ob man sein Gegenüber gut findet oder nicht. Wobei links „nein“ und rechts „ja“ bedeutet. Menschen mit Rechts-Links-Schwäche wie mich (liegt leider in der Familie) stellt das schon mal vor eine Herausforderung, deshalb hat Tinder wohl zusätzlich ein rotes X und ein grünes Herz eingefügt. Und Herrn Zuckerberg sei Dank sieht man aufgrund der Facebook-Verknüpfung etwaige gemeinsame Freunde und Interessen, damit das Ganze nicht allzu platt ist.
Wo wir auch schon bei einem wichtigen Punkt wären: Tinder wird oft kritisiert, weil es oberflächlich ist. Jetzt mal ehrlich: who cares? Wenn du an der Theke von jemandem angequatscht wirst, dann sicher auch nicht wegen der inneren Werte. Höchstens wegen der inneren Werte in der Bluse. Oder in der Hose, je nachdem.
Aber natürlich, virtuelles Kennenlernen ist anders. Mimik und Gestik werden gegen Instagram-Filter und DIY-Retusche getauscht. Aber solange 4 von 5 Leuten am Tisch ins Smartphone starren anstatt sich zu unterhalten und die Timeline vor lauter Duckface-Selfies nur so strotzt, kann man neue Leute auch über ein App kennenlernen. Auch wenn zuerst Worte und keine Blicke ausgetauscht werden; in einem Chat kann mitunter viel Lachen und Prickeln stecken. Glaubt mir, da kenne ich mich aus, immerhin habe ich das Ganze lang und breit getestet! Selbstlos!
Wie aber fängt man eine solche Unterhaltung überhaupt an? Kann ja ein schwieriges Unterfangen sein. Abgesehen davon, dass beide erstmal in die richtige Richtung wischen müssen, um sich überhaupt schreiben zu können. Dann auch noch die passenden Worte zu finden ist durchaus eine Aufgabe. Der gematchte Fremde soll ja beeindruckt sein und nicht schon beim ersten Satz die Augen verdrehen. Also ist Kreativität gefragt; ein „Hallo, wie geht’s?“ hat schon damals bei Dagi Koller zu wenig sinnvollen Unterhaltungen geführt.
Daher also mal lieber einen Lacher einbauen und dick auftragen: „Hey Karin. Dein Schweigen bringt mich seit exakt 38 Minuten an den Rand des Wahnsinns… und: ich hoffe, deine Persönlichkeit ist genauso großartig wie dein Aussehen.“ Na zum Glück habe auch ich mein Tinder-Foto bearbeitet und nicht gleich in der Früh nach dem Aufstehen gemacht, sonst hätte er sich was anderes einfallen lassen müssen. Ärgster Spruch, aber zumindest ein Schmäh, der mich unterhalten hat. Wirkt aber nur, wenn die genannten Minuten mit dem tatsächlichen Match-Zeitpunkt zusammenpassen. Copy-Paste alleine reicht da nicht. Wieder eine Herausforderung!
Man kann natürlich auch einen auf schnarchige Vorstellungsrunde machen: „Hallo. Ich bin Jens. Bin 1,80 groß, wiege 84 kg. Bin lustig, mache manchmal Sport, wenn ich fit bin. Bin gern unterwegs, bleibe aber auch gern zu Hause auf der Couch.“ Also ein „Hallo, wie geht’s?“, nur in lang.
Ein anderer, nennen wir ihn Chris, fing etwas unspektakulärer irgendwo zwischen dem an den Rand des Wahnsinns-Gebrachten und dem sportlichen Couchtiger an. Spektakulärer wurde es erst, als er mich fragte, was ich denn im Büro „so drunter“ anhabe; gefolgt von aufgeregten Smileys und eindeutigen Zeichen. Was für eine Frage: Strapse. Jeden Tag!
Ich könnte da jetzt noch einiges mehr erzählen: vom runden Spanier im Adamskostüm, dessen Foto ich aus rechtlichen Gründen nicht zeigen darf (ewig schade drum), oder vom durchtrainierten Villacher, der Youtube mit Youporn verwechselt. Oder umgekehrt, nix genaues weiß man. Aber das würde den Rahmen sprengen und mir Stoff für die nächsten Artikel nehmen.
Worauf ich raus will: Tinder läuft letzten Endes gleich wie jede andere Form des Kennenlernens, nur eben virtuell. Zuerst zählt die Optik, dann die ersten Worte. Und sollte es hier nicht stimmig sein, kann man das Foto als Poster an die Wand pinnen, aber für mehr wird es nicht reichen. Wichtig ist, dass man irgendwie auf der gleichen Welle surft. Dass man sich freut, wenn das Handy eine neue Tinder-Nachricht verkündet. Sogar wenn man wie ich vor lauter Freude mit dem Rad eine Brez’n reißt, weil Tindern und Treten keine so gute Kombination sind. Tat weh, muss aber lustig ausgesehen haben, zumindest wenn ich das Gelächter der Jungs am Gehsteig richtig interpretiere. Noch dazu haben sie mich als „Milf“ bezeichnet, diese Bengel. Kein Wunder wird so viel getindert, wenn nix Gescheites nachkommt.
Also: Tinder bietet eine tolle Möglichkeit, tolle, neue Menschen kennenzulernen. Ob man wirklich die große Liebe findet? Warum nicht?! Ich kenne sogar einige, bei denen es geklappt hat. Und wenn es nicht geklappt hat, dann hat man sich wenigstens gut unterhalten. Und falls bei jemandem von euch auch das nicht zutrifft: raus mit den Smartphones und den Radius neu einstellen …und denkt immer an das 1. Tinder-Gebot: scheiß‘ di nix!
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