(Klagenfurt) Manfred K. (Name von der Redaktion geändert) möchte anonym bleiben. Zu sehr überwiegt die Scham, sich mit Martin Rutter infiziert zu haben. Der Weg zurück in den Alltag ist beschwerlich, nun scheint das Gröbste aber Gott sei Dank überstanden zu sein. Wir haben mit ihm gesprochen.
„So etwas wünsche ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind. Die Gefahr ist real!“, möchte K. aufrütteln. „Ich habe einmal nicht aufgepasst und keinen Abstand zu einer Gruppe grölender Spaziergänger gehalten und habe dafür bitter bezahlt“, so K. im Nachsatz. Es sei ihm unverständlich, dass es immer noch Menschen gibt, die die Existenz von Martin Rutter leugnen. Seinen Krankheitsverlauf beschreibt K. dabei als besonders schwer: „Ich wachte permanent schweißgebadet mitten in der Nacht auf und schrie unkontrolliert irgendwelche zusammenhangslose Parolen. Noch viel schlimmer war für mich aber, dass ich plötzlich nicht mehr in der Lage war, sämtliche Zeitungen sinnerfassend zu lesen, geschweige denn wissenschaftliche Fakten zu akzeptieren. Da bekam ich immer ungeheure Kopfschmerzen.“
Lange wollte er sich nicht eingestehen, sich mit Rutter angesteckt zu haben. „Als ich dann den Drang verspürte, ständig in ganz Österreich spazieren zu gehen, war mir klar – ich habe mich infiziert. Ich gehe nämlich nie spazieren.“, spricht K. von seiner Selbstdiagnose. Der Kärntner Virologe Ulrich Lausegger bestätigt, eines der Erstsymptome sei der Drang, unbedingt spazieren zu gehen: „Es ist für uns als Mediziner neu, dass Infizierte sehr viel an der frischen Luft sind, aber deren Gehirne nur ganz wenig mit Sauerstoff versorgt werden.“
Auf die Frage, warum er nicht zum Arzt ging, um die Infektion bestätigen zu lassen, antwortete K.: „Nicht einmal meine Tripper-Erkrankung war mir so peinlich. In Österreich wird man schnell stigmatisiert.“ Klarheit brachte schließlich der von der Wissenschaft hochgelobte Heimschnelltest Oe24TV. „Wenn man nach fünf Minuten Fellner Live immer noch nicht den Drang verspürt, abzuschalten, ist man zu 100 Prozent positiv“, zeigt sich K. von der einfachen Anwendung des Tests begeistert.
Der weitere Verlauf hatte es in sich: „Ich war noch nie so fertig! Auf dem Höhepunkt der Infektion witterte ich einfach überall eine Einschränkung meiner persönlichen Freiheit. Als in der Betriebskantine verlautbart wurde, dass es ab sofort einen vegetarischen Dienstag gibt, bin ich durchgedreht! Für mich war das ein von Bill Gates geplanter Eingriff auf mein österreichisches Grundrecht auf ein Wiener Schnitzel! Völlig im Wahn habe ich daraufhin einen Autocorso am Betriebsgelände organisiert……dabei habe ich nicht mal ein Auto“, gräbt K. sein Gesicht vor Scham in seine Hände.
Seit kurzer Zeit geht es Manfred K. allerdings wieder besser: „Ich habe letztens sogar schon wieder einen Bericht in der Krone gelesen; mein Arzt hat schließlich gesagt, ich solle klein anfangen!“
Rutter-Infizierte sind im Übrigen nicht allein mit ihren Leiden. Im Messenger-Dienst Telegram gibt es eine Vielzahl an anonymen Selbsthilfegruppen. Manfred K. rät einen Blick zu riskieren: „Diese Gruppen sind sehr hilfreich. Dort gehen die Mitglieder sehr selbstbewusst mit ihrer Erkrankung um. Mir haben sie aber vor allem gezeigt, dass es doch einige Menschen gibt, die es noch viel schlimmer erwischt hat als mich!“
Geschrieben von Ferdi Sablatnig
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