Eine Sternstunde in der Entwicklung meiner Tochter. Im Bereich Sprachverständnis und Artikulation kann ihr der normale Durchschnittspolitiker nicht mehr das Wasser reichen und ich als Papa bekomme die neu erlangte Fähigkeit – oft schmerzlich – zu spüren.
Obwohl meine Tochter ihr Universalwort „Techä“ aus ihrem Wortschatz gestrichen hat, ist in den letzten Monaten eine deutliche sprachliche Weiterentwicklung nicht von der Hand zu weisen. Ganz wie der Opa kombiniert sie mittlerweile verschiedene Wörter miteinander und gibt so mehr oder weniger sinnvolle Sätze von sich. Der gute Opa macht das von früh bis spät. Und wie das Leben so spielt, befindet sich auch meine liebe Tochter auf dem Weg dahin. Es vergeht kaum ein Moment, in dem die Schnatterluke nicht offen ist. Um das zu würdigen, findet sich – ein halbes Jahr nach dem ersten Teil – im folgenden der, leider nicht einmal ansatzweise vollständige, zweite Teil der Auflistung aus ihrer sprachlichen Entwicklung.
Hier ein kleiner Auszug aus ihrem Vokabular in streng nicht-alphabetischer Reihenfolge:
Hundesik
= Hundemusik
Steht für Musik von CRO. Habe mir in einem Anfall geistiger Umnachtung (oder waren das schon die ersten Anzeichen der Midlife Crisis?) das Album „Raop“ des deutschen Rappers auf LP gekauft. Auf der LP ist ein Porträt des Musikers mit seiner Pandamaske abgedruckt, was für meine Tochter wie ein Hund aussieht. Vielleicht ist er auch gerade deswegen ihr absoluter Lieblingsmusiker. Wegen der Musik kann es ja eigentlich nicht sein. Jedenfalls wird, sobald die Platte aufgelegt ist, wild in der Wohnung herumgetanzt. Bewegungen und Tanzstil meiner Tochter sind dabei an Urtümlichkeit kaum zu überbieten. Urvölker auf der ganzen Welt tanzen noch heute genau so um das Lagerfeuer.
Papa, siern!
= Papa, bitte rasier dich doch mal!
Mein 3 bis 5-Tage-Bart, den ich mir immer wieder wachsen lasse, kommt bei meiner Tochter nicht gut an. „Papa, Baht, viel! Papa, siern!“, ruft sie dann. Beim ersten Mal habe ich das sinngemäß nicht richtig verstanden und anscheinend ziemlich begriffsstutzig aus der Wäsche geschaut. Klug wie sie ist, hat sie natürlich sofort gemerkt, dass ich auf der Leitung stehe, mich bei der Hand gepackt und gesagt: „Papa mitkommen!“. Ich komme mit, sie führt mich ins Badezimmer, macht die unterste Lade auf, gibt mir den Rasierapparat heraus und sagt nochmal „Papa, siern!“. Ich hab mich dann wirklich rasieren müssen. Die Weiber sind doch verrückt!
paparieren
= reparieren
Wird immer verwendet, wenn etwas kaputt geht und je nach Dringlichkeit der „Paparatur“ entweder öfters hintereinander wiederholt oder zuckersüß mit den Wörtern „bitte“ und „Papa“ garniert. Etwa so: „Bitte, Papa, bitte, paparieren, Papa!“. So bleibt mir dann nichts anderes übrig als meine relativ kümmerlichen Heimwerkerfähigkeiten auf die Probe zu stellen. „Papariert“ muss so einiges werden. Spielzeug, wie zB. ihre kaputte Aufziehente, Bilder, die schief hängen, Bücher aus denen sie die Seiten herausgerissen hat und vieles mehr.
Flaschi chabbe
= ich will ein Flaschi haben, verdammt nochmal!
Aussprache und Intonation erinnern dabei stark an Vladimir Putin im Skiurlaub in einer Kitzbüheler Kneipe. Sehr fordernd und mit starkem russischen Akzent. Während aber Putin mit „Flaschi“ eine „Flaschi“ Wodka meint, ist das Bedürfnis meiner Tochter (noch) anders gelagert. Äußerst praktisch auch: das „chabbe“ kann mit verschiedenen Gegenständen kombiniert werden. So zum Beispiel: „Nulla chabbe = Schnuller haben“, „Keksi chabbe = Keks haben“ etc.
Funf, sibbe, ackt, komme
= Fünf, sieben, acht, ich komme!
Erinnert an Silvio Berlusconi während des Liebesspiels kurz vor seinem Höhepunkt. Atemlos, aufgeregt und mit italienischem Akzent ausgesprochen. Hat sie vermutlich beim Versteckenspielen mit ihren Cousins aufgeschnappt.
Pappika
= Paprika
Ein Nahrungsmittel wie ihr Gemüt: Frisch, knackig und unter Umständen auch feurig! Wahrscheinlich gerade deswegen auch eines der Lieblingsnahrungsmittel meiner Tochter – zu Mamas und Papas Leidwesen. Ich wusste zum Beispiel bislang nicht, dass man sich mit roter Paprika so einsauen kann, dass einen die eigenen Eltern nicht mehr erkennen. Vormals beige Pullover werden rot. Das rosafarbene Gesichtchen verdeckt von einer schmierig-roten Melasse aus Spucke und Paprika und sogar die Körperausscheidungen nehmen ein intensives karminrot an.
Rot bist du
= ich bin rot
Diese Phrase kommt meist nach dem Paprika-Essen zur Verwendung. Die 1. Person Einzahl wird dabei – aber auch in allen anderen Satzkonstruktionen – geflissentlich ignoriert. Und zwar absolut zu Recht! Was ich anfangs noch belächelt habe, könnte durchaus Ausgangspunkt einer sprachlichen Revolution werden. Die 1. Person Einzahl wird überschätzt und führt allenfalls zu Eitelkeit, Selbstsucht, Ichbezogenenheit und in weiterer Folge zu Streit und – im schlimmsten Fall – Krieg. Dutzende historische Beispiele belegen das. Meine Tochter hat das gleich erkannt und verzichtet vollkommen darauf. Kluges Mädchen!
Schaff se nick
= schaff ich nicht
Obwohl meine Tochter die 1. Person Einzahl in ihrem Sprachgebrauch aus Prinzip vermeidet, durchwandert sie im täglichen Leben eine Phase des Egoismus. Sie will eigentlich so gut wie alles selbst erledigen und bricht in Schreikrämpfe aus, sobald man sie das nicht lässt. Weil auch ich mir nur ungern von anderen Leuten den Hintern abwischen oder meine Schuhbänder zubinden lasse, kann ich das sehr gut verstehen und unterstütze sie dabei. Wird nach unzähligen Versuchen das gewünschte Ergebnis nicht erreicht, verwendet sie die Phrase „Schaff se nick“ in Kombination mit „Papa schaff das!“ oder „Mama schaff das!“. Im ganzen also: „Schaff se nick! Papa schaff das!“. Frühestens zu diesem Zeitpunkt darf man helfend eingreifen ohne ein Heulkonzert epischen Ausmaßes zu befürchten.
Mag se nick
= mag ich nicht
Man kann sich gar nicht vorstellen wie viel ein zweijähriges Kind bereits nicht mag! Das reicht von den verschiedensten Lebensmitteln bis hin zum Haare waschen und – ganz besonders – Sockenanziehen. Barfuß laufen ist im Sommer ja bestimmt sehr gesund und auch angenehm, leider fällt aber ihre Anti-Socken-Phase in den Winter, was es für Mama und Papa regelmäßig zum Spießrutenlauf macht, ihr die Socken doch noch schmackhaft zu machen. Vorteile und modische Merkmale von Socken können wir mittlerweile im Schlaf herunterrattern. Ja, ich behaupte sogar, dass wir indessen als Sockenvertreter im Außendienst äußerst erfolgreich wären!
Hat se auch gerne
= mag ich sehr
Natürlich existieren auf unserer Welt auch eine Handvoll Dinge, die sie mag. Das wären neben CRO zum Beispiel Zahnpasta, Süßigkeiten oder Parmesan, mit dem sie sich gerne in uneinsichtige Ecken zurückzieht um ihn zu verputzen. Pur und direkt vom 250 Gramm-Block. Äußerst beliebt ist auch die Kombination von Schokolade und iPad: Lässt der Papa mal versehentlich Schokolade und iPad herumliegen, entdeckt das das kleine Raubtier innerhalb kürzester Zeit, schnappt sich beides und versteckt sich wieder in irgendeiner Ecke, in der sie das iPad mit der Schoko vollsaut.
Rotte ehsn
= Karotte essen
Wie die Panier zum Schnitzel, so verhält sich in der Welt meiner Tochter die Karotte zum Toastbrot. Kommt frühmorgens Toastbrot auf den Tisch, muss es dazu natürlich eine frisch geschälte Karotte geben. Ist doch komplett logisch!
leine
= alleine
„LEINE! LEINE! LEINE!“ – Was frustrierte Hundehasser unangeleinten Hunden und ihren Herrchen hinterherbrüllen, brüllt auch meine Tochter mehrmals täglich. In ihrem Fall hat das mit Hunden allerdings wenig zu tun sondern viel mehr mit ihrem bereits erwähnten Drang, die Dinge selbst und ohne fremde Hilfe in die Hand zu nehmen.
Zu all diesen Phrasen und Wörtern gesellen sich täglich neue, die sie dann auch wieder neu miteinander kombiniert. Es entstehen dabei unzählige lustige, kluge, freche und zuckersüße Satzkonstruktionen und Aussagen. Es ist fast schade, dass man sich wegen der großen Fülle nicht alle merken kann. Eine wirklich schöne und spannende Zeit! Ich bin froh auf diesem Wege wenigstens einen Bruchteil all ihrer Erfahrungen und Erfolge im Sprechenlernen festzuhalten.
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